Majsche

 

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Anfang Mai 2006 rief mich eine Frau an und erklärte, sie habe meine Telefonnummer vom Bonner Tierheim. Sie müsse die Katze ihrer Mutter unterbringen, die vor 14 Tagen (Mitte April 2006) gestorben sei. Auf meine Frage, warum sie das Tier nicht selber behalte, kam rasch und etwas vorwurfsvoll die Antwort: „Ich habe Kinder.“

Na und? war meine Reaktion, aber mir wurde bedeutet, daß es nun mal auf keinen Fall gehe. Als ich das Alter des Tieres erfuhr, war mir klar, warum das Tierheim meine Telefonnummer herausgegeben hatte. Man wollte sicherlich nicht, daß ein so altes Tier im Tierheim unterkäme, denn eine Vermittlung war ausgeschlossen. Majsche, so heißt das hinterbliebene Opfer, ist zwar trotz des weiblichen Namens (holländisch „Mädchen“) ein Knabe, aber sein Geburtsjahr ließ mich aufhorchen: 1985. Ja, richtig gelesen, Majsche ist derzeit 21 Jahre alt.

 

Am 4. Mai wurde er von der Erbin in unsere Tierarztpraxis gebracht. In einem riesigen Katzenkorb stand ein Korbbettchen mit Decke, darin lag ein riesiger Kater. Er wirkte vollkommen teilnahmslos, was sich erst änderte, als ihm Blut abgenommen wurde. Er wehrte sich nach Leibeskräften, war in höchster Panik und brauchte erst einmal herzstärkende Mittel. Als die Untersuchung fortgesetzt werden konnte, zeigten sich so schlechte Zähne, daß an Fressen vorerst kaum zu denken war. Tolle Aussichten!

Die letzten 14 Tage, erfuhr ich noch, hatte Majsche im Heizungskeller zugebracht, nahe einer Gastherme. Daher waren auf seinem Rücken ganze Haarflächen weggebrannt. Vollkommen unklar, wie sowas geschehen kann. Gott sei Dank hatte er keine schlimmeren Verletzungen, und die Haare wachsen langsam nach.

Majsche ist ein großer schwarzer Kater, fast blind und stocktaub. Zwei riesige Zahnsteinstücke konnten ihm ohne Narkose entfernt werden, und er bekommt jetzt, weil seine Nieren bereits geschädigt sind, regelmäßig homöopatische Medikamente und Infusionen. Außerdem benötigt er Schmerzmittel gegen seine chronischen Rückenprobleme. Inzwischen zeigt er auch wieder Lebenswillen. Schon nach zwei Tagen Verweigerung begann er zu fressen. Aber die meiste Zeit des Tages liegt er nach wie vor in seinem mitgebrachten Körbchen und schläft. Da die Schmerzmittel offenbar gut anschlagen, bewegt er sich auch langsam herum, steigt brav ins Katzenklo und geht Schritt für Schritt zu den Futternäpfen. Die Hände der Pflegemama hat er sehr akzeptiert und läßt sich jetzt für sein Leben gerne streicheln. Dann schnurrt er behaglich.

Aufgrund des hohen Besatzes in der Pflegestelle muß er sich allerdings mit den anderen Katzen arrangieren. Das war für ihn neu, aber aufgrund seiner imposanten Figur auch nicht schwer. Die anderen sind betont vorsichtig und lassen ihn in Ruhe.

Wir möchten Majsche einen schönen Lebensabend bereiten und sind uns darüber klar, daß es unter Umständen nur noch Wochen sein können. Schön wäre es, wenn er wenigstens einen schönen Sommer erleben würde (und wir auch). Wir werden ihm jedenfalls alle Liebe geben, damit sein kleines Leben nicht in Einsamkeit endet.

Aber warum so? Getan hat der traurige alte Bär sicher niemandem etwas.

Am 30. August 2006 musste Majsche eingeschläfert werden. Er hatte das Fressen eingestellt.

 

 

Lorenzo

Im September 2005 erreichte mich einer der 'beliebten' Standardanrufe: „Ich muß meinen Kater abgeben, er ist seit Jahren unsauber (seit die Kinder da sind). Nun hat er auch noch angefangen, seine Häufchen in die Gegend zu setzen. Das geht überhaupt nicht."

Nachfrage: „Seit wann sind die Kinder denn da?“
Antwort: „Seit sieben Jahren.“
Frage: „Wollen Sie mir jetzt erklären, daß der Kater seit sieben Jahren unsauber ist und Sie das seither mitmachen, ohne eine Lösung zu suchen?“
Antwort: „Wir hatten ja zwei Kater. Äh, hm, ach ja, übrigens Perser vom Züchter. Aber der eine ist 2004 gestorben, seither ist der andere alleine. Und jetzt wird es mit der Unsauberkeit immer schlimmer.“

Auf meine Frage wurde nicht eingegangen. Mir ist kaum vorstellbar, daß man es sieben Jahre mitmacht, wenn Katzen irgendwo in die Ecken pieseln. Das ist eklig, stinkt auf Dauer, und es muß und darf nicht sein. Man sollte schnellstens versuchen, die Ursache herauszufinden und dagegen mit Sachverstand, nicht nur mit Putzlumpen angehen. Aber anscheinend (oder scheinbar) war das in dieser Familie nicht notwendig. Kaum zu glauben! Niemand putzt sieben Jahre lang klaglos und tatenlos Bächlein aus der Wohnung.

Und dann kam nach und nach heraus, daß die Familie ja eigentlich schon in 2003 vorhatte, sich der Tiere zu entledigen. Man hatte diesbezüglich mit dem Verein Menschen für Tiere - Tiere für Menschen e.V. in Porz Kontakt aufgenommen. Da man dort damals kurz vor einer Aufzeichnung der Sendung „Tiere suchen ein Zuhause“ stand, wollte man die Tiere mitnehmen und hatte sie auch schon beim Sender gemeldet. Am Tag vor der Aufzeichnung zog aber die Familie dann ihr Vorhaben zurück und behielt die Katzen. Warum, wenn doch beide unsauber waren? Hatte ein Herz über die Unsauberkeit gesiegt?

Nachdem dann in 2004 ein Tier gestorben war, tauchte offenbar der alte Beschluß wieder auf. Halbes Leid, jetzt? Nicht ganz: Schnell stellte sich heraus, daß das gestorbene Tier, ein schwarzer Perser, der eigentliche Liebling der Besitzerin war. Der hellrote war nur schmückendes Beiwerk. Man war ja kein Unmensch und konnte sich außerdem zwei Perser vom Züchter leisten. Nun war er lästig, was man ihm offenbar deutlich zeigte. Wörtlich hieß es: „Es ist zwar ein Perser, aber er sieht schon ziemlich schäbig aus!“ Sowas sagt man von einem Tier, das man 14 Jahre lang in der Familie hatte. Ja, richtig gelesen, Lorenzo war bereits 14, für ein Perser ein stolzes Alter, erst recht für einen notorischen Pisser!

Irgendwie war mir klar, daß ich - wieder mal - wehrlos wurde. Also erklärte ich mich bereit, das Tier in Köln abzuholen - man wollte es nicht bringen - und machte mich am 30. September 2005 auf den Weg. Ich fand mich einige Zeit später vor einem schönen Einfamilienhaus mit großem Garten wieder. Teure Einrichtung, sehr gepflegt. Aha.

Lorenzo saß vollkommen verschüchtert auf dem Teppich im Wohnzimmer. In der Küche stand nur eine Schale Trockenfutter. "Er frißt nur Trockenfutter." Klar, das macht ja auch weniger Dreck und riecht nicht so. Der kleine Kerl kam nicht heran, so daß ich darum bat, ihn mir zu bringen. Ich nahm ihn auf den Arm und bekam einen Schrecken. Ich hatte nur Knochen und Fell in den Händen. Lorenzo schaute mich vorsichtig an, dann, als ob er merkte, daß ich lieb zu ihm sein würde, legte er seine beiden Vorderfüßchen um meinen Hals, senkte das Köpfchen an meine Schulter und begann vorsichtig zu schnurren. Mir kamen die Tränen. Sofort packte ich den Burschen mitsamt seiner ganzen Habe in meinen Wagen und fuhr weg, so schnell ich konnte. Einen Abgabevertrag hatte ich mir allerdings noch unterschreiben lassen und das Versprechen mitgenommen, daß man sofort für den Burschen eine Patenschaft übernehmen würde, da er aufgrund seines Alters sicherlich nicht mehr zu vermitteln wäre.

Auf dem Weg zum Tierarzt maunzte er einmal, dann, nachdem ich meine Finger ins Gitter gesteckt hatte, legte er sich hin, ließ mich nicht mehr los und wartete geduldig auf sein Schicksal. In der Tierarztpraxis schlug man dann die Hände über dem Kopf zusammen. „Ach Gott, Frau Führer, da haben Sie ja mal wieder was zum Sterben nach Hause geholt!“

So sah es dann auch aus. Die Leberwerte des Katers waren entsetzlich, die Zähne so schlecht, daß er überhaupt kein Trockenfutter fressen konnte. Eigentlich genügend Gründe, ihn sofort einzuschläfern. Aber ich wollte es versuchen. Also stellte ich ihm einen gemütlichen Korb in mein Schlafzimmer, und wir begannen die Lebertherapie. Lorenzo muß Schreckliches mitgemacht haben, denn er traute sich nicht einmal aufs Klo. Also machte er sein Geschäft in den Korb. Um ihn nicht zu sehr zu erschrecken, legte ich ein Heizkissen in den Korb, darauf eine Inkontinenzunterlage und darauf noch ein dickes Handtuch. Diese Unterlagen wurden ständig gewechselt. Auch sein Futter mußte ich in den Korb stellen. Jede schnelle Bewegung quittierte er mit Ducken. Er hatte offensichtlich Schläge bekommen.

Wegen der geschädigten Leber bekam er leberstärkende Mittel und Infusionen, Vitamine und Diät. Die beste Diät bei Leberproblemen ist Kartoffelbrei. Der, nur mit Wasser , wurde vielfach täglich auf Spritzen gezogen und in den kleinen Burschen gefüllt. Nach einigen abwehrenden Bewegungen merkte er wohl, daß sich sein Magen füllte und das Hungergefühl verschwand, von dem Moment an konnte er gar nicht genug Brei bekommen. Ich mußte richtig bremsen. Schon nach wenigen Tagen traute er sich aus seinem Korb und schlich vorsichtig zum Freßnapf der anderen Tiere. Seine Leberwerte wurden besser. Es schien, als hätten wir ihn gerade noch vom Hungertod weggeholt. Nach 14 Tagen ging er dann auch ins Katzenklo. Keine Rede mehr von Unsauberkeit. Er blühte unter der Behandlung sichtlich auf und schien alle Liebe und Fürsorge wie ein Schwamm aufzunehmen. Auch sein Gewicht, am 30. September mit 1.850 Gramm geradezu entsetzlich, verbesserte sich zusehens. Sobald ich ins Zimmer kam, schaute er mich aus seiner kleinen Höhle auffordernd an: „Na, nimmst Du mich endlich auf den Arm?“

 
Am 11. November 2005 fuhren wir wieder zum Arzt (wohl insgesamt zum achten Mal). Lorenzo sollte eine Aufbauspritze bekommen. Wir saßen im Wartezimmer und plötzlich bemerkte ich, daß er beim Atmen zu pumpen begann. Sofort schlug ich Alarm, und es kümmerte sich auch sofort die Tierärztin um ihn. Schon nach den ersten Atemzügen des Tieres schaute sie mich traurig an und meinte, wir müßten sofort eine Röntgenaufnahme machen, was dann auch geschah. Auf meinem Arm, eng an mich geschmiegt, wartete Lorenzo auf das Ergebnis. Es kam viel zu schnell.

„Wie müssen einschläfern. Sein Gewicht ist zwar inzwischen auf 2.700 Gramm, also fast normal, seine Leber ist in Ordnung, aber sein kleines Herz schafft es nicht mehr, er droht zu ersticken, und mit aller ärztlicher Kunst können wir dieses Problem nicht mehr lösen. Es ist traurig, aber wir müssen ihn gehen lassen!“

Während ich Lorenzo weinend in den Armen hielt, schlief er leise schnurrend ganz langsam und friedlich der großen Wiese ohne Schmerzen entgegen. Wir haben ihn in unserem Garten beerdigt.

Um das Bild abzurunden, bleibt nur noch anzumerken, daß die Besitzer keinen einzigen Cent an „Patenschaft“ gezahlt haben. Ich habe ihnen nach dem Ende die Tierarztrechnung zugeschickt, schließlich hatten sie sich im Abgabevertrag verpflichtet, diese Kosten zu tragen. Nachdem man uns erst eine Ratenzahlung angekündigt hatte (man habe sich doch mit dem Haus übernommen....), dann nichts kam und wir ein wenig massiver schrieben, wurde im April 2006, mehr als 5 Monate nach Lorenzos Tod, kommentarlos ein Teilbetrag überwiesen.

Ist es nicht eine Schande, wie Menschen mit ihren Tieren umgehen und wie sie diese - früher gewiß einmal wichtigen - Hausgenossen "entsorgen". Gleichgültigkeit hatte dazu geführt, daß Lorenzo fast verhungert wäre und all unsere Zuwendung kam zu spät, um ihn noch zu retten. Wir trösten uns mit Lorenzos kurzem liebevollen Aufleben...

Tägliches Brot der Katzenschützer.

 

 

Andras

 

Am 1. Oktober 2003 erreichte mich in den frühen Morgenstunden ein Anruf eines anderen Tierschutzvereins: Wir haben einen Hilferuf aus Bad Honnef: "Dort liegt vor einer Tür eine Katze, die offenbar nicht mehr laufen kann. Können Sie hinfahren und nach dem rechten sehen? Wir haben keinen Fahrer..."

Natürlich konnte ich. Die alte Dame, die das Tier gemeldet hatte, hatte es in einem Wäschekorb in die eigene Wohnung getragen. Von dort fuhren wir beide zum Tierarzt nach Bonn. Das Ergebnis der ersten Untersuchung war schlecht. Es handelte sich um einen kastrierten, nicht mehr sehr jungen Kater in einem vollkommen abgemagerten Zustand mit großen Kreislaufproblemen. Er mußte zwei Tage in der Praxis bleiben, bis sich sein Zustand stabilisiert hatte. Dabei stellte der Tierarzt auch fest, daß das Tier vollkommen blind war.

 

Also zog Andras, wie ich ihn inzwischen nannte, zu uns nach Hause und - um mehr Ruhe zu haben - in mein Schlafzimmer. Anfangs war es etwas schwierig mit ihm. Er hatte Angst vor den beiden alten Katzendamen, die das Bett verteidigten. Aber mit Geduld und gutem Zureden, und mit ganz vielen Streicheleinheiten, ließ er sich zum Fressen bewegen. Innerhalb von wenigen Stunden fand er auch sein Katzenklo. Er blühte sichtlich auf und nahm an Gewicht zu, so daß er auch geimpft werden konnte. Allerdings stellte ich recht schnell fest, daß er nicht nur blind, sondern auch noch taub war. Da war mir klar, warum er vor einer Haustür lag und sich nicht fortbewegte. Er wußte nicht wohin. Nur, wo kam er her?

Selbstverständlich suchte NIEMAND nach ihm, aber das war uns egal. Wir wollten dem armen Burschen eine schöne Zeit bereiten. Die Menschen, die in solch liebes Tier einfach abschrieben und nicht suchten, konnten wir nicht verstehen. Wie egal ist ihnen das Leben eines Tieres? Hatten sie sich inzwischen, wie manch andere Zeitgenossen, ein neues, kleines, gesundes, funktionierendes Kätzchen zugelegt, um ihm eine Chance auf einen ähnlich schlimmen Lebensweg zu eröffnen?

Vor drei Wochen begann Andras abzunehmen. Sofort stellte ich ihn wieder dem Tierarzt vor. Die Blutergebnisse waren eigentlich in Ordnung, aber er nahm weiter ab, obwohl ich ihn ständig zum Fressen animierte und selbst mitten in der Nacht einen kleinen Futternapf vor sein Schnäutzchen hielt, aus dem er dann auch fraß. Am Weihnachtstag konnte er plötzlich nicht mehr laufen. Er blieb auf seinem Wärmebettchen liegen, fraß alles was ich ihm anbot, aber seine Kraft schwand immer mehr. Am 27.Dezmeber 2004 stellte der Tierarzt dann fest, daß sein Herzschaden sich deutlich verschlimmert hatte. Der Puls raste. Also wurde er auf ein anderes Medikament umgestellt. Am 28. hatte sich sein Puls normalisiert und wir schöpften Hoffnung. Aber in der Nacht zum 29. gab er dann ganz plötzlich auf. Er machte unter sich, so daß ich in der Nacht mehrmals sein Lager säubern mußte, damit er trocken lag. Mit einem Stein in der Brust bin ich dann am 29.12.2004 zum Tierarzt gefahren. Andras lag wie tot in seiner Box. Kaum beim Tierarzt angekommen, hob er den Kopf, versuchte sogar, sich aufzurichten und schnurrte und schnurrte. Aber unser Tierarzt mahnte: "Wir wollen ihn nicht leiden lassen. Er schafft es nicht mehr, trotz aller medikamentösen Hilfe und Futterzuführung. Er wird von Stunde zu Stunde schwächer werden."

 

Also habe ich schweren Herzens meine Einwilligung gegeben und Andras in seinen letzten Minuten und Sekunden fest im Arm gehalten. Er schnurrte, bis die erlösende Spritze ihre Wirkung tat. Als das Schnurren aufhörte, war er schon auf der großen Wiese, wo er zusammen mit allen anderen Katzen, die früher dorthin gegen mußten, herumtollen und spielen wird. Natürlich wird er dort auch wieder sehen und hören können, denn das Leid ist zu Ende.

Mach’s gut, lieber Andras, wir hätten Dich so gerne noch bei uns gehabt.

 

 
 
 

Castor

Am 23. November 2004 hielt ich mich im Bonner Tierheim auf, als dort ein Anruf einging: „Hier im Garten sitzt eine alte Katze, die sieht so schrecklich und krank aus, können Sie die bitte wegholen?“ Eine Mitarbeiterin des Tierheims machte sich auf den Weg. Nach einer Stunde brachte sie einen riesigen, kastrierten, getigerten Kater mit, der offenbar auf beiden Augen blind war (beide Augen waren stark eingeblutet) und der auch nichts mehr hörte. Sein Fell war eine filzige Platte, und laufen konnte er auf den Hinterbeinen nur taumelnd. Seine Nase tropfte eitrig, aber er schnurrte bei Berührung ohne Unterlaß und schien froh und glücklich über ein bißchen Wärme und Zuneigung.

Was sollte ich tun? Ich nahm den Burschen - natürlich - mit nach Hause und gab ihm den Namen Castor. Dann rief ich bei dem jungen Mann an, der ihn am Abend zur Abholung gemeldet hatte, und bekam folgende Geschichte zu hören:

Vor etwa sieben Jahren hatten „Castors“ frühere Besitzer die Wohung gewechselt und den Kater im Garten zurückgelassen. Die Nachmieter fütterten ihn regelmäßig. Als diese vor zwei Jahren auch auszogen, mußte das arme Tier erneut um sein Futter bangen. Zwei junge Damen waren schließlich bereit, seine Versorgung zu übernehmen. Dies bedeutete aber lediglich, ihm Futter hinzustellen. Tierärztliche Versorgung war im Plan wohl nicht vorgesehen. Auf meine Frage, warum man ihn denn nun abgeben wolle, bekam ich zur Antwort: „Er ging überhaupt nicht mehr aus dem Garten (wie denn auch, er war inzwischen ja blind), und er sieht so häßlich aus. Da sind wir halt zu dritt übereingekommen, ihn wegzugeben.“ Es ist unglaublich, mit welcher Gefühlskälte über das Schicksal eines alten Tieres (und der beschenkten Tierschützer) entschieden wurde. Ich war sprachlos.

Am nächsten Morgen brachte ich Castor wegen der üblichen Untersuchungen zu unserem Tierarzt. Wir stellten fest, daß er 1990 in Bonn tätowiert wurde (leider inzwischen fast unleserlich und nicht mehr zuzuordnen), also mindestens 14 eher 15 Jahre alt sein mußte. Zähne hatte er kaum noch. Seine Atmung ging schlecht, die Erkältung schien alt und verschleppt zu sein. Trotz aller Widrigkeiten wollten wir versuchen, den mehr toten als lebendigen Burschen ins Leben zurückzuholen. Da er die ersten beiden Tage gut fraß, schien es auch zu gelingen. Aber am dritten Tag ließ die Freßlust sichtbar nach. Bis zum 1. Dezember stellte er die Nahrungsaufnahme vollständig ein. Seine Herztätigkeit wurde immer schlechter, dadurch auch seine Atmung. Was ich ihm zwangsweise eintrichterte, schleckte er nach anfänglicher Unwillensäußerung mit Appetit. Das am 3. Dezember gemachte Röntgenbild ließ hoffen, aber in den darauffolgenden Tagen verschlechterte sich sein Zustand immer deutlicher. Er machte den Eindruck, als wolle er nun, in Geborgenheit und Wärme, nicht länger kämpfen. Er gab einfach auf. Am Sonntag, den 5. Dezember 2004, in den frühen Abendstunden mußte der Tierarzt ihm auf die große Wiese helfen, wo er hoffentlich befreit von Krankheit, Altersbeschwerden und erbarmungslosen Menschen wieder herumtollen und viele Mäuschen fangen kann. Er ist freundlich schnurrend auf meinen Armen in die andere Welt geschlafen. Und es tat mir - wieder einmal - sehr weh.

 

 

Johannes

   

 

Am 22.11.2003 wurde eine weiße Perserkatze in eine Pflegestelle gebracht. Das Tier befand sich in einem erbärmlichen Zustand, wie einige Fotos von damals belegen. Am 24.11.2004 stellten wir dieses Tier dann dem Tierarzt vor. Auf dem Weg dorthin überlegte ich, wie ich das Tier nennen könne und kam auf den Namen Salome. Warum weiß ich auch nicht. Aber beim Tierarzt durfte ich dann unter Zuhilfenahme vieler Hände feststellen, daß aus Salome ein Johannes werden mußte. Es handelte sich um einen kastrierten Kater.

Von der Taille an abwärts war das eigentlich weiße Tier dunkelbraun und stank beißend. Der Verdacht auf Blasenentzündung bestätigte sich sehr schnell, denn anstatt von Urin setzte der arme Bursche helles Blut ab. Außerdem wurden eine Menge Struvitsteine in dieser Flüssigkeit gefunden. Bei einem geschätzten Alter von etwa acht Jahren keine ungefährliche Sache.

Für Johannes bedeutete dies und bedeutet es noch heute: Jeden Tag Injektionen mit einem Antibiotikum, weil er auch nach Wochen noch Blut im Urin hat und auf Lebenszeit Paste gegen die inzwischen Gott sei Dank aufgelösten Steine, die aber jederzeit wiederkommen können.

Weil er sich aufgrund der Erkrankung kaum sauberhalten konnte, haben wir sein Fell abscheren lassen. Er sieht im Moment richtig knuffig aus, wie ein kleines Schaf. Nur sein Gesichtchen ist ständig braun. Er kann, wie viele Perser mit den viel zu kurzen Nasen nur fressen, wenn er tief in den Napf hineintaucht. Dabei verschmiert er sich dann das ganze Gesicht. Wieso werden diese armen Geschöpfe immer noch so verzüchtet? Hat sich einer dieser Züchter mal die Perserkatze angesehen, die ursprünglich als erstes Exemplar in Europa bei Queen Victoria ankam?

Johannes wird aufgrund seiner Erkrankung, die längst ein chronisches Stadium erreicht hat, sicherlich kaum vermittelbar sein und soll auf Dauer in der Pflegestelle bleiben, weshalb wir Paten für ihn suchen.

Inzwischen hat alle Mühe nichts genützt: Johannes musste am 15. März 2004 eingeschläfert werden, nachdem er auf einmal alle Magen- und Darminhalte von sich gegeben und die Körpertemperatur "in den Keller" gefahren hatte. Das war für uns alle sehr traurig, denn Johannes war ein so dankbarer, lieber und geduldiger kleiner Kerl. Jetzt wird er wohl auf der großen Wiese spielen, wo nichts mehr weh tut.

Spiel schön, Schäfchen! Wir werden dich nicht vergessen.

 
 

Hier gibt's Johannes in XL-Format...

 

Maggy Mae

 

Am 24. September 2003 begegnete ich Maggy Mae zum ersten Mal. Ich sollte die Wirkung von ein paar Medikamenten bei einem kranken Tier beobachten und wurde dazu in einen separaten Raum der Tierarztpraxis geschickt. Dort kauerte Maggy Mae seit zwei Tagen, wie ich erfuhr, in einem Käfig und wartete geduldig auf ihr Schicksal. Eine alte Frau hatte sie angeblich wochenlang draußen gefüttert, dann war sie am Wassertrog zusammen gebrochen, und nun war endlich der Tierarzt dran. Ein Bild des Jammers, nur Haut und Knochen, eigentlich ein klarer Fall für die Euthanasie. Eigentlich. Aber Maggy Mae wollte offensichtlich noch nicht aufgeben. Sobald jemand sie streichelte, drückt sie den knochigen Rücken hoch und schnurrte. Unser Tierarzt brachte es einfach nicht übers Herz, die letzte Spritze aufzuziehen.

 

So mußte ich nur beim Arzt und zu Hause ein ganz kleines bißchen drängeln, um der kleinen Hungermaus zwei Tage später bei uns im Schlafzimmer ein würdigeres Gnadenbrot zu verschaffen. Kampfgewicht: 1.950 Gramm. Alter: Etwa 16, da sie bereits 1988 tätowiert wurde. Der Besitzer war aber auch über Tasso nicht zu finden. Lange konnte es nicht mehr dauern mit Maggy Mae, aber wir waren alle der Meinung, daß jeder Tag Leben für dieses zähe, kleine Geschöpf ein Geschenk sei und daß wir ihr diese Tage geben wollten. Nach 14 Tagen hatte sie 200 Gramm zugenommen. Wir waren begeistert. Aber noch am gleichen Tag, bekam sie einen schrecklichen Durchfall, der die Zunahme innerhalb von 48 Stunden wieder zunichte machte. Wir wollten nicht gleich aufgegeben. Und tatsächlich, inzwischen ist der Durchfall fast Geschichte und auf der Waage zeigte sich heute, am 20. Oktober, daß Maggy Mae schon wieder 50 Gramm zugenommen hat. Sie wiegt jetzt genau 2.000 Gramm und fängt langsam wieder an, ihre Nahrung selbständig zu sich zu nehmen.

Was haben die früheren Besitzer diesem armen Geschöpf nur angetan, daß es in einen solchen Zustand kommen konnte? Sie schläft gerne unter der Decke, fest an mich gepreßt, wobei ich die ganze Nacht nur im Halbschlaf verbringe aus Angst, dieses kleine Knochengerüst zu zerdrücken. Aber wenn sie dann leise schnurrt, schlafe ich doch für einige Stunden ein. Natürlich werden wir mit ihr weiter um jeden Tag kämpfen. Wir werden ihr aber auch die letzte Hilfe geben, wenn sie aufgibt und uns zeigt, daß ihre Zeit wirklich gekommen ist. Bis dahin soll sie Liebe, Wärme und Geborgenheit bekommen, und wir bitten die Besucher unserer Homepage um ganz viel Daumendrücken, damit sie Weihnachten und den Jahreswechsel mit ein wenig mehr Gewicht erleben kann.

Gabriele Führer


Nachsatz:

Am 21.10.2003 mußte Maggy Mae leider eingeschläfert werden. Zwar hatten wir den Durchfall inzwischen im Griff und sie hatte auch wieder zugenommen (auf 2.100 Gramm), aber ihr kleiner geschundener Körper war nicht mehr in der Lage, Muskeln aufzubauen. Sie kam einfach nicht mehr auf die Hinterbeine. So ist sie dann, leise schnurrend, in meinen Armen sanft eingeschlafen und hat jetzt ihr letztes Plätzchen in unserem Garten gefunden. Ich bin sehr traurig, daß ich sie nicht früher bekam, vielleicht hätte ich dann mit der Pflege mehr Erfolg gehabt. G.F.