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Majsche (Mais-je)
Anfang Mai 2006 rief mich eine Frau an und erklärte, sie
habe meine Telefonnummer vom Bonner Tierheim. Sie müsse die Katze
ihrer Mutter unterbringen, die vor 14 Tagen (Mitte April 2006)
gestorben sei. Auf meine Frage, warum sie das Tier nicht selber
behalte, kam rasch und etwas vorwurfsvoll die Antwort: „Ich habe
Kinder.“
Na und? war meine Reaktion, aber mir wurde bedeutet, daß es nun
mal auf keinen Fall gehe. Als ich das Alter des Tieres erfuhr, war mir
klar, warum das Tierheim meine Telefonnummer herausgegeben hatte. Man
wollte sicherlich nicht, daß ein so altes Tier im Tierheim
unterkäme, denn eine Vermittlung war ausgeschlossen. Majsche, so
hieß das hinterbliebene Opfer, war zwar trotz des weiblichen
Namens (holländisch „Mädchen“) ein Knabe, aber
sein Geburtsjahr ließ mich aufhorchen: 1985. Ja, richtig gelesen,
Majsche war damals 21 Jahre alt.
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Am 4. Mai wurde er von der Erbin in unsere Tierarztpraxis
gebracht. In einem riesigen Katzenkorb stand ein Korbbettchen mit
Decke, darin lag ein riesiger Kater. Er wirkte vollkommen teilnahmslos,
was sich erst änderte, als ihm Blut abgenommen wurde. Er wehrte
sich nach Leibeskräften, war in höchster Panik und brauchte
erst einmal herzstärkende Mittel. Als die Untersuchung fortgesetzt
werden konnte, zeigten sich so schlechte Zähne, daß an
Fressen vorerst kaum zu denken war. Tolle Aussichten!
Die letzten 14 Tage, erfuhr ich noch, hatte Majsche im Heizungskeller
zugebracht, nahe einer Gastherme. Daher waren auf seinem Rücken
ganze Haarflächen weggebrannt. Vollkommen unklar, wie sowas
geschehen kann. Gott sei Dank hatte er keine schlimmeren Verletzungen,
und die Haare wachsen langsam nach.
Majsche war ein großer schwarzer Kater, fast blind und stocktaub.
Zwei riesige Zahnsteinstücke konnten ihm ohne Narkose entfernt
werden, und er bekam dann, weil seine Nieren bereits geschädigt
waren, regelmäßig homöopatische Medikamente und
Infusionen. Außerdem benötigte er Schmerzmittel gegen seine
chronischen Rückenprobleme. Für wenige Tage zeigte er
Lebenswillen. Nach zwei Tagen Verweigerung begann er zu fressen. Aber
die meiste Zeit des Tages lag er nach wie vor in seinem mitgebrachten
Körbchen und schlief. Da die Schmerzmittel offenbar gut
anschlugen, bewegte er sich auch langsam herum, stieg brav ins
Katzenklo und ging Schritt für Schritt zu den Futternäpfen.
Die Hände der Pflegemama hatte er sehr rasch akzeptiert und
ließ sich jetzt für sein Leben gerne streicheln. Dann
schnurrt eer behaglich.
Aufgrund des hohen Besatzes in der Pflegestelle mußte er sich
allerdings mit den anderen Katzen arrangieren. Das war für ihn
neu, aber aufgrund seiner imposanten Figur auch nicht schwer. Die
anderen waren betont vorsichtig und ließen ihn in Ruhe.
Aber schon nach wenigen Wochen zeigte sich, daß wir Majsches
Trauer doch trotz aller Liebe und Fürsorge nicht brechen konnten.
Zu lang waren die Jahre an der Seite seines gestorbenen Frauchens. Er
fraß immer weniger, obwohl seine Blutwerte in Ordnung waren.
Dann, eines Nachmittags, lag er auf seinem Wärmebettchen,
den Kopf halb im Freßnapf und hatte ein Bächlein unter sich
gemacht. Sofort fuhren wir mit ihm zum Tierarzt. Der hörte ihn ab
und schüttelte traurig mit dem Kopf. Sein kleines Herz wollte
einfach nicht mehr. Er ist in meinen Armen sanft eingeschlafen und
spielt jetzt hoffentlich auch auf der "Großen Wiese."
Aber warum so? Getan hatte der traurige alte Bär sicher niemandem
etwas.
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